Jugenderinnerungen aus Brunsbüttelkoog-1901

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Jugenderinnerungen-1901.jpg

Dies ist eine Jugenderinnerung des Herrn Dr. Peter Schade, der seine Jugendzeit in Brunsbüttelkoog verbrachte, geschrieben 1956.

(Textquelle: Stadtarchiv Brunsbüttel)

Gasthaus „Zur Fähre“-1899
Werbung 1900

Ich entsinne mich noch genau, wie ich vor ca. 55 Jahren mit dem kleinen hölzernen Fährboot (ein Motorboot kam erst viel später) häufig von der Südseite von Brunsbüttelkoog nach der Nordseite hinübergerudert und dort auf einem Ponton abgesetzt wurde, was bei etwas Wind bzw. Wellenschlag von vorbeifahrenden Dampfern manchmal eine gewisse Geschicklichkeit erforderte. Von dem Ponton aus führte eine kleine Brücke auf die Kanalböschung, und man gelangte alsdann, sich halbrechts haltend, über einen ca. 40 m langen Weg, der durch ein sehr stabiles Stakett eingefriedigt war und welches wir Jungens trotz größter Kraftanstrengung nicht „abmontieren" konnten, auf das sogen. Trottoir — nicht ohne einen Blick auf die rechts ankommende Fähre, die noch durch Handbetrieb über den Kanal bewegt wurde, zu werfen.


Man hätte ja vielleicht von den Eltern Bekannte sehen können, die mit einem Fuhrwerk (Autos gab es damals in unserem Ort noch nicht!) nach Brunsbüttel fuhren und die uns Jungens dann evtl. hätten mitnehmen können. Hatten wir dieses Glück nicht, was ja meistens der Fall war, so mußten wir ca. 250 Meter geradeaus gehen, um dann — das Gasthaus „Zur Fähre" (Gastwirt Otto Heinrich) rechts liegen lassend — scharf nach links abzubiegen, wo erst nach weiteren 500 bis 600 Metern die ersten Häuser auf der Nordseite standen.
Man hätte diesen Weg allerdings erheblich abkürzen können, wenn man links von dem Ponton durch den Stacheldraht geklettert wäre, um dann an der Kanalböschung entlang bei der „Kohlen-Hulk" von Tiedemann herauszukommen, von wo aus eine Straße — an Gemüsegärten vorbei — nach dem Hotel zur Kanalmündung" führte. Da aber weithin sichtbare Tafeln seitens der Kanalverwaltung darauf hinwiesen, daß das Betreten der Kanalböschung bei hohen Strafen verboten wäre, und die Paragraphen der angezogenen Verordnung uns Jungens doch einen ziemlichen Respekt einflößten, mußten wir nolens volens den großen Umweg machen.

Auf jedem der beiden Pontons befand sich übrigens auch eine große Glocke, die man nachts oder bei diesigem Wetter zum Läuten bringen konnte, um den Fährmann zu veranlassen, nach dem anderen Ufer zu kommen. Für das Übersetzen hatte man schon damals keinen Obolus zu entrichten, da der Staat als Erbauer des Kanals verpflichtet war, die Passanten und Wagen unentgeltlich über den Kanal zu befördern. Ich weiß jedoch, daß die Geschäftsleute in Brunsbüttelkoog am Weihnachtstage den Fährleuten stets eine kleine Aufmerksamkeit erwiesen. So mußte ich z. B. im Auftrage meiner Mutter an jedem Weihnachtsabend den Fährleuten eine Flasche guten Rum und eine Flasche Rotwein sowie 1 Pfund Würfelzucker bringen, damit sie sich in der Heiligen Nacht ein Glas Grog brauen könnten.
Bei dieser Gelegenheit mag auch noch auf das auf der Nordseite (rechts von der Fähre) stehende Haus des Fährmeisteis Brauer hingewiesen werden. Das Grundstück, welches mit seinem Garten in einem spitzen Winkel vielleicht 20 Meter in den Kanal hineinragte, war rundherum von einer dichten Hecke umgeben. An der Spitze des Grundstückes befand sich ein Signalmast, dessen verschiedene Signalbälle und Flaggen uns Jungens damals stets sehr imponierten.

Bei dem mit einem Punkt gekennzeichneten Haus dürfte es sich um das Haus des Fährmeisters Brauer handeln

Herr Brauer, ein Mann mit einem großen schwarzen Vollbart und einer sogen. Schiffermütze auf dem Kopf, wie sie damals von den seemännischen Berufen allgemein getragen wurden, war ein sehr leutseliger Mann, der sich gern mit den Personen unterhielt, die mit ihrem Wagen vor der Fähre anhalten mußten, um auf die Südseite übergesetzt zu werden.

Gedacht sei auch noch des Fotografen, der das Bild aufgenommen hat, des Herrn E. Sander, der seine „Werkstätte" neben dem damals sehr bekannten Manufakturwarengeschäft von Franz Samter auf der Nordseite hatte (Emil Sander, Läden im Koog-Koogstraße 81-84)). Ich sage „Werkstätte", denn das im Hinterhaus gelegene Atelier des Herrn Sander war voll von allen möglichen Requisiten, und jeder hatte die Möglichkeit, einen ihm für seine Aufnahme geeignet erscheinenden Hintergrund auszuwählen. Herr Sander, mit einem starken blonden Schnurrbart ausgestattet, war bei uns Kindern wegen seines Metiers allgemein unter dem Namen „Bitte recht freundlich!" bekannt. Diese Bezeichnung traf aber wirklich zu, denn er war freundlich gegen jedermann, und neben seinem einnehmenden Wesen drückten seine Charakterzüge stets ein herzliches Lächeln aus. Und den alten Einwohnern von Brunsbüttelkoog wird Herr Sander auch noch als Musikus in guter Erinnerung sein, der eine Anzahl Instrumente spielte und daher auf den Bällen usw. in und um Brunsbüttelkoog eine begehrte Kraft war.
Ich entsinne mich noch z.B. eines Trompetensolos, welches er auf einer Festlichkeit des Marinevereins „Prinz Adalbert von Preußen" (seinerzeitiger Vorsitzender der aus Württemberg stammende, sehr wortgewandte Herr Laroche) im Gasthaus „Saturn" in den Saal schmetterte, und zwar war es das damals sehr bekannte Lied „Zu Stolzenfels am Rhein".

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