Die Streckenbefeuerung des Nord-Ostsee-Kanals

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Die Streckenbefeuerung des Nord-Ostsee-Kanals

Banner-Kanalbeleuchtung.jpg

Eine weitere große Ingenieursleistung – außer dem Bau des Kanals und der zugehörigen technischen Peripherie – war die Installation einer Streckenbefeuerung (auch Kanalbefeuerung, Kanal-Uferbeleuchtung, Streckenbeleuchtung, Uferbefeuerung, Uferfeuer genannt), damit den Kapitänen, Lotsen und Kanalsteurern der Verlauf der ca. 98,6km langen Kanalstrecke auch nachts kenntlich gemacht werden konnte. Der Nord-Ostsee-Kanal war die derzeit längste Strecke der Welt, die elektrisch beleuchtet wurde.
Folgende Bedingungen wurden an das Beleuchtungssystem gestellt:

  • Jede Lampe sollte vollkommen unabhängig von den anderen sein, so daß der Ausfall einer großen Anzahl Glühlampen keinen Einfluß auf die in Betrieb befindlichen ausübt.
  • Die Spannung an jedem Leuchtmittel sollte konstant sein, auch bei starken Belastungsschwankungen.
  • Es sollten die betriebssichersten und wirtschaftlichsten Maschinen und Materialien benutzt werden und eine vollkommene Reserve vorhanden sein.
  • Minderwertige Hilfsmittel der Elektrotechnik- wie Hauptstrom-Regulatoren, Ölisolationen etc. sollten vermieden werden.
  • Der Betrieb sollte von zwei Stellen aus eingespeist werden, von Brunsbüttelkoog (beidseitig von Kanalkilometer 1-49) und Holtenau (entsprechend von Kkm 50-98,6).

23 deutsche Firmen hatten sich für die Ausführung der Arbeiten angeboten, den Zuschlag erhielt die Actiengesellschaft „Helios“ aus Köln-Ehrenfeld. Bis April 1895 sollte die Anlage betriebsbereit sein.

Die 1. Befeuerung

Die Beleuchtung- beider Kanalufer wurde mit Glühlampen der Stärke 25 NK (Abkürzung für Normalkerze, auch Hefnerkerze - in Deutschland Einheit der Lichtstärke von 1890 bis 1942) versehen und im Abstand von ca. 200 – 250m auf ca. 4m Höhe angebracht (in den Kanalkurven auch geringerer Abstand). Auf der gesamten Kanalstrecke wurden ca. 1000 Lampen installiert, zusätzlich erhielten die Schleusen in Brunsbüttelkoog und Holtenau Glüh- und Bogenlampen unterschiedlicher Lichtstärke.

Artikel aus der Kanalzeitung

Die Fahrrinne durch die drei Seen, die der Kanal durchschneidet (Meckel-, Audorfer- und Schirnauer See) wurde durch gasbetriebene Bojen ausgeleuchtet.
Der für die Stromerzeugung benötigte Dampf wurde in den bereits früher für die Druckwassererzeugung des Schleusenbetriebs gebauten Zentralmaschinenstationen Brunsbüttelkoog und Holtenau erzeugt. Fünf Kessel, die je einen max. Dampfdruck von 6,5 Atmosphären erzeugten, betrieben die Dampfmaschinen für die Generatoren und Druckwasseranlagen.
In Brunsbüttel ist diese Zentralmaschinenstation unter dem Namen „Alte Zentrale“ auch heute noch ein Begriff.
siehe Alte Zentrale und Schleusenkraftwerke


Die technische Ausführung der Streckenbefeuerung war folgendermaßen:
Über zwei 4mm starke Kupferdrähte wurden alle Glühlampen einer Hälfte von einer Kanalseite hintereinander verbunden (250 St). Parallel zu jeder Lampe wurde eine spezielle Drossel (Spule mit einem Eisenkern) geschaltet, die verhindern sollte, daß bei Ausfall einer Lampe andere in Mitleidenschaft gezogen wurden (siehe Zeichnung). Eine Spannung von 7500 Volt erzeugte einen Linienstrom von 1 Ampère; die Klemmenspannung an jeder Lampe betrug 25 Volt. Da die Generatoren eine Spannung von 2000 Volt lieferten, mußte die Spannung auf 7500 Volt hochtransformiert werden. Auch diese Technik ist 1895 relativ neu gewesen.

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Für die 13 kanalkreuzenden Fähren wurden je 4 Lampen zur Beleuchtung der Rampen aufgestellt. Die Eisenbahn- bzw. Chausseedrehbrücken erhielten ebenfalls eine elektrische Beleuchtung-. In den Jahren 1913/14, nach der ersten Kanalverbreiterung, wurden die ursprünglich eingesetzten Kohlefadenlampen gegen die neuen Metalldrahtlampen ersetzt.


Lampenarmaturen wechseln 1914

Die 2. Befeuerung

Im Zuge umfangreicher Baumaßnahmen zur Absicherung der Kanalböschungen in den 50er Jahren sollte die veraltete Streckenbefeuerung den technischen Bedingungen angepaßt werden. Die alte Spannung von 7500 Volt bescherte im Zusammenhang mit der Reihenschaltung zunehmend Sicherheitsprobleme. Geplant war jetzt ein Dreileiter-Gleichspannungsnetz +220V|0V|-220V.
Da die Anlage ebenfalls als Freileitung ausgelegt war, konnten die Masten in den entsprechenden Abständen beibehalten werden. Die Leuchtenbestückung wurde auf 220V/25W geändert bei einer Lichtstärke von je 20 cd (Candela). Sämtliche Lampen waren jetzt parallel auf jeweils Plus 220 Volt und Null Volt bzw. Minus 220 Volt und Null Volt geschaltet. Das Versorgungsnetz wurde sektionsweise von 11 Gleichrichtern eingespeist. Eingeschaltet wurde die Anlage (ebenfalls sektionsweise nach Bedarf bei Nebel, Reparaturen etc.) von Hand nach entsprechender Anweisung oder über Dämmerungsschalter bzw. Schaltuhren.


Die 3. Befeuerung

Unterschied 2. und 3. Streckenbefeuerung

(Text größtenteils übernommen aus der Brunsbütteler Rundschau vom 12.08.1976)
Die 2. Befeuerung reichte bisher aus, um bei Dunkelheit den Verlauf der vor dem Schiffsführer liegenden Strecke zu erkennen und ihm damit die Einhaltung eines bestimmten Abstandes vom Ufer zu erleichtern.
Die Verbreiterung des Kanals im Zuge der Böschungsicherungsarbeiten, die zunehmende Umfeldhelligkeit durch Beleuchtungsanlagen an Land sowie die häufigeren Fahrten bei Nebel und unsichtigem Wetter stellen heute höhere Anforderungen an die Befeuerung, die mit der vorhandenen Anlage nicht mehr erfüllt werden können. Ein neues Konzept war notwendig. Ihm liegen folgende Forderungen zugrunde:

Anforderungen an die neue Befeuerung

  • Die Streckenbefeuerung soll der Schiffahrt Nachtverkehr auf dem Kanal bis zu einer meteorologischen Sichtweite von V 0,05 = 500m ermöglichen, ohne zusätzliche Hilfen wie Radar in Anspruch zu nehmen. Das entspricht einer Wetterlage zwischen leichtem und mäßig dichtem Nebel.
  • Um nach der Streckenbefeuerung sicher navigieren zu können, müssen bei der genannten Wetterlage mindestens 2, besser 3 Lampen an jedem Ufer voraus deutlich zu erkennen sein.
  • Die Lichtstärke der Streckenbefeuerung muß so niedrig gehalten werden, daß der in der Seefahrt notwendige Dunkeladaptionszustand des Personals auf der Brücke erhalten bleibt, um auch während der Kanalfahrt Positionslampen und dergl. einwandfrei ausmachen zu können.
  • Beim Passieren der Uferfeuer, d.h. beim geringsten Abstand zu ihnen darf die Schiffsführung nicht geblendet werden.

Geringe Blendwirkung

Die aus den sich teilweise scheinbar widersprechenden Forderungen entwickelte Lösung führte zur Verwendung von Natriumdampf-Niederdrucklampen von 35 Watt. Der Abstand zwischen den Uferfeuern sollte einheitlich 250m betragen, wobei die einzelnen Standorte identisch mit vollen Kanalkilometern bzw. Teilen davon sein sollten. Die Lampen sind vom Seezeichenversuchsfeld (eine Dienststelle des Bundesverkehrsministeriums) zugelassen, haben eine hohe Lichtausbeute, eine lange Lebensdauer und eine geringere Blendwirkung als weiße Lampen gleicher Leistung.
Ihr gelbes, monochromatisches Licht gewährt kontrastreiches Sehen bei Nebel und Dunst und ist somit ideal für die genannten Anforderungen. Die Leuchten sind senkrecht angeordnet, so daß die größte Lichtverteilung waagerecht erfolgt. Eine Beleuchtung des Ufers ist nicht möglich und auch nicht beabsichtigt.
Die Feuer sind als Doppelrichtfeuer nur dann voll wirksam, wenn sie vom Schiffsführer perspektivisch aus einer Augenhöhe unterhalb oder oberhalb der Feuerebene beobachtet werden. Die Lichtpunkthöhe ist deshalb zu 10m über dem Wasserspiegel gewählt worden, da dieser Wert erfahrungsgemäß von den Brücken der meisten auf dem NOK verkehrenden Schiffe unter- oder überschritten wird.

Die nach oben zugespitzte Form des Leuchtenkörpers ist in hohem Maße möwenabweisend.

Wechselspannung

Natriumdampf-Niederdrucklampen brauchen Wechselspannung. Das vorhandene Dreileiter-Gleichspannungssystem konnte also nicht wieder verwendet werden. Die Stromversorgung ist aber derjenige Teil der Anlage, der bei einer Neuinstallation die größten Kosten verursacht. Deshalb wurden mehrere Lösungen durchgerechnet mit dem Ergebnis, daß sich die Verlegung von Drehstrom-Erdkabel des Typs NYY-J 5x6 mm² mit einer Spannung von 580/1000 Volt als günstigste Lösung herausstellte, obwohl wegen der ungewöhnlichen Spannung einige zusätzliche Maßnahmen getroffen werden mußten. Ursache: Geringe Verbraucherleistungen über große Entfernungen. Zwischen Breiholz und Schülp (km 50,0 bis km 56,0) wurde 1974 eine Versuchsstrecke eingerichtet und eine Reihe von Messungen und Erprobungen durchgeführt. Abweichend von der bisherigen Befeuerung gibt es keine Lampennummernschilder, da sie nicht mehr vom Lampenstreulicht der Befeuerungsleuchte erfaßt werden würden. Statt dessen ist die neue Anlage mit angestrahlten Kilometerschildern für volle und halbe Kilometer ausgerüstet. Die Anstrahlung der Tafelzeichen (z.B. Ankerverbotsschilder) wurde ebenfalls an die Stromversorgung der Streckenbefeuerung angeschlossen. Verwendet wurden 8 Watt Leuchtstofflampen, die eine gleichmäßige Ausleuchtung der Schilder garantieren.
Da sich die Anlage bewährt hat, wurde eine weitere Teilstrecke 1975 bei Sehestedt (von km 73,5 bis km 79,0) in Betrieb genommen. Die gesamte Strecke ist 1980 in Betrieb gegangen. Die Stromversorgung erfolgte über das Netz der am jeweiligen Einspeisungspunkt zuständigen EVU, die Spannung wurde von 220/380V auf 580/1000V hochtransformiert. Um eventuell eintretende Spannungsausfälle zu kompensieren, wurden an mehreren Stellen des Kanals Notstromeinrichtungen erstellt.
In Betrieb gesetzt wird die Streckenbefeuerung von Dämmerungsschaltern, Sichtmeßgeräten, astronomischen Schaltuhren und - bei Reparaturen, Kontrollen etc. - sektionsweise von Hand von der Schiffslenkung auf der Brunsbütteler Schleuse.



Installiert wurde die neue Streckenbefeuerung von der Firma Brown,Boverie & Cie (BBC), Aktiengesellschaft Mannheim.

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